Grundsätzliche Betrachtung zu dem am 24. August 2020 auf ARD gesendeten Filmbeitrag „Geisterkatzen Teil I“

 Gute Naturfilme sollen belehren, Wissen vermitteln und Sehfreude bereiten. Dies ist bei „Geisterkatzen Teil I“ voll danebengegangen. In Wort und Bild ist der Beitrag beredtes Beispiel einer groben Täuschung des Fernsehpublikums. Fakes werden als Fakten ausgegeben, die Luchskatze, die Mutter der Jungtiere, gab es in mindestens drei Ausführungen (unterschiedliche Individuen unterschiedlicher Ökotypen). Mit künstlerischer Freiheit hat so etwas nichts zu tun, das ist ein „für-dumm-verkaufen“ des Publikums. Dass ein Großteil der angeblichen Naturaufnahmen an zahmen oder Gehege-Luchsen verübt wurden, fällt in die Kategorie Betrug und zeigt, dass der bzw. die Filmemacher die Fernsehzuschauer als Ignoranten oder schlicht als Dumme betrachten. 

Egal, aus wessen Feder (und Hirn) die Kommentare flossen, auch sie bestanden aus Zumutungen für die Hörer, aus einem Gemisch von Dichtung und Wahrheit und auch Fehlinformationen, um das Wort Betrug zu vermeiden. Zumindest ist vorstellbar, dass es Sprecher solcher Kommentare durchaus Überwindung kosten kann, das Unmögliche dem Publikum akustisch mitzuteilen.

     Hat man einen solchen Beitrag wie „Geisterkatzen Teil I“ halbwegs unbeschadet überstanden, dann gedenkt man traurig der Zeiten, als z. B. ein Horst Stern in geschliffenem Deutsch und fähig zu scharfer, treffender Kritik hervorragend gemachte Naturfilme seinem Fernsehpublikum präsentierte. Das war Wissensvermittlung vom Feinsten, zumal der Zuschauer wusste, dass seriöse und fundierte Recherche den Beiträgen zu Grunde lagen. Es gab damals weitere gute Naturfilmer, indes, an Sprachbrillanz konnte Horst Stern nicht überboten werden.

Zurück in die Gegenwart: Am 31. August 2020 brachte die ARD „Geisterkatzen Teil II“, ein Film, der Pumas in Patagonien vorstellte. Leider ein Beitrag, der „Geisterkatzen Teil I“ sehr ähnelte, nur das in diesem Film Puma-Mütter in mehrfacher Ausführung eine einzige individuelle Puma-Dame verkörperten. Im Grunde genommen weist „Geisterkatzen Teil II“ dasselbe oder zumindest das gleiche Strickmuster auf wie der ausführlicher besprochene Teil I (s. o.). Ob dies auch für Teil III (es geht um Schneeleoparden) zutrifft, werden Interessierte am 7. Sept. 2020 bei der ARD erfahren. Im Zweifelsfall heißt es noch einmal tapfer zu sein.

Rezension zu Teil I:

 

ab 02:26   Zitat: „Täglich patrouilliert er sein Revier...“ Unwissenschaftliche, nicht verhaltensgerechte                         Behauptung! Luchse patrouillieren nicht täglich ihr Revier.

 

      03:16    Keine Spuren vom Baummarder im Schnee!

                   Konnte der fliegen?

                   Luchs sucht erkennbar zaghaft!

                   Ist vielleicht ein Fleischbrocken in den Schnee geworfen worden, den der zahme Luchs

                   erst einmal finden musste?

 

     04:34   Angebliche Jungtiere vom Vorjahr erwarten die Luchskatze!

                   Kann nicht stimmen, ist Quatsch! Verhalten entspricht nicht der biologischen Norm, es                             dürfte sich um Gehege-Tiere handeln!

 

     05:01    Die gezeigte Luchskatze ist nicht die Luchskatze die bei 04:22 gezeigt wird!

 

                   Hier werden dem Zuschauer zwei verschiedene Luchse „angedreht“; zwei unterschiedliche

                   Ökotypen. Keine echte Naturaufnahme aus freier Wildbahn. Es handelt sich vielmehr um                         zahme bzw. Gehege-Tiere.

 

     06:55    Immer wieder werden für Wolfaufnahmen die an Menschen gewöhnten und mastigen                             Gehege-Wölfe aus dem Nationalpark Bayerischer Wald herangezogen. Der Buchenwald                           verrät den Standort. Schlimm, wie hier gearbeitet wurde.

 

 

     09:49   Wildschweinaufnahmen stammen aus Gehege-Haltung! Schlimme, unnatürliche Bilder!

 

      10:55   Und wieder eine andere angebliche Luchskatze! Ökotypus: Nordluchs. Nach 10 Minuten                             Film stellt man sich die berechtigte Frage,

                   mit wie vielen Luchsmüttern man es eigentlich zu tun hat?

 

     12:50   Hier wieder das Auftreten eines 3. Exemplars einer Luchsmutter! Ökotyp Nordluchs, ältere                       Katze mit auffällig langen kräftigen Ohrenpinseln.

 

    13:06    So fängt kein Wildluchs eine Rötelmaus, zumal auf einem hoch liegenden Baumstamm!                           Kein artspezifisches Schleichlaufen, kein artspezifisches Beutefangverhalten. Hier wurde ein                   zahmer Luchs oder ein Gehege-Luchs gefilmt, der schließlich mit einer toten Maus aus dem                   Bild verschwindet.

 

    19:44   Zitat: „Wildkatze greift aus dem Hinterhalt an........“

                 Unverantwortlicher Kommentar. Wildkatzen kennen keinen Hinterhalt. Welch ein Unsinn,                       da Tiere im Gegensatz zum Menschen weder hinterhältig sind, noch sich in den Hinterhalt                       legen etc. Hinterhältigkeit ist eine typisch menschliche Eigenschaft!

 

     21:14    Hier wird ‚tricky‘ versucht, eine Szene zum Beutefangverhalten auf einen Siebenschläfer (!)                       zu dokumentieren. Wenn die Technik den Siebenschläfer filmisch dokumentieren konnte,                       so  wäre jeder Wildluchs in der Lage gewesen, den Siebenschläfer zu erreichen.

                 Einfach nur dumm, diese artifizielle Situation zum Beutefangverhalten.

 

     23:10    Luchse essen keine Ameisen! Blödsinn pur, eine unentschuldbare Inszenierung.

 

 

     24:45 u.

 

     26:00   Hier haben wir wieder den Ökotypus Nordluchs, eine sehr große Nordluchskatze.

 

 

     27:36    Zitat: „Wildkatzen richten sich gerne an Bächen oder Flüssen ein, so haben sie es nie weit                        zum Trinken...“ Purer Unsinn! Welche fragwürdigen biologischen und ökologischen Aspekte                    sollen mit dieser Behauptung vermittelt werden? Felis silvetris Schreber, 1777 ist nun mal                          kein Fischotter!

 

 

     28:12   Junger Waldkauz auf dem Boden..., angeblich entdeckt vom Jungluchs! Quatsch, der wurde                   dort hingesetzt. Wer ist hier für die Formulierung des Kommentars verantwortlich?

                 Zitat: Wenn er denn sprechen könnte, würde der Waldkauz dem Luchs ein höhnisches                               „Ätschi bätschi…!“ zurufen.

                 Kinderkram; welche Dummheiten will man dem Zuschauer eigentlich noch zumuten?

 

 

    39:36    Zitat: „Zwei bis drei Monate säugt die Luchsin ihre Jungen...!“

                  Spätestens hier offenbart sich die laienhafte und unprofessionelle Bearbeitung des                                    Filmmaterials durch das Team. Luchse werden fünf manchmal bis zu sechs Monate                                    gesäugt. Diese Erkenntnis wurde bereits 1979 ausgiebig wissenschaftlich beschrieben.

 

    33:46    Der Filmbeitrag sollte das Thema Luchse im Böhmerwald behandeln! Oder??

                  Was sollte denn das Damwildkalb bei der Gehege-Luchsfamilie! Welcher ‚Spender‘ hat                              denn aus der Gatterhaltung mit einem „Beutetier“ unterstützend mitgewirkt?

 

     37:36    Der Boden der Wildkatzenaufnahmen dokumentiert eindeutig die Gehegehaltung.

 

     39:06   Der gezeigte Fichtenzapfen fiel niemals so vom Baum. Was hier gezeigt wurde ist Fake.

                  Man beachte bitte genau den Zustand des dokumentierten Fichtenzapfens! Dieser lag                              schon viele Monate auf dem Boden, bevor er von einem Teammitglied für diese                                            unnatürliche Aufnahme auf den Pilz geworfen wurde, ohne die Kenntnisse biologischer                            und ökologischer Zusammenhänge.

 

     39:36   3 Jungluchse, Ökotypus Waldluchs. Die Filmsequenz zeigt Blätter in sattem Grün, alle 3                              Luchse im Sommerfell. Zu diesem Zeitpunkt sind 3 Jungluchse aus einem Wurf des                                    Vorjahres nicht mehr im Sozialverband zusammen: Offensichtlich Gehegeaufnahmen,                              unnatürliche Situation!

 

     40:35   Ökotypus Nordluchs, springt nach ausgelegtem Fleischbrocken, der auf einem liegenden                        Baumstamm gelegt wurde. Nur ein Gehege-Luchs würde so, wie filmisch dargestellt, nach                      einer Maus springen. Man hat sich noch nicht einmal die Mühe gemacht den                                                Fleischbrocken unsichtbar zu positionieren. Der Zuschauer muss von den Filmemachern für                    sehr dumm gehalten werden.

 

 

     

     42:10   Hier erscheint wieder eine andere Luchsmutter in der Bildsequenz.

 

     42:54  Und wieder eine andere Luchsmutter, mit zwei Jungtieren!

                 Schlussszene mit drei „Luchsgeschwistern“, die wahrscheinlich alle mindestens zwei Jahre                       alt sind. Eindeutige Aufnahme aus Gefangenschaftshaltung; man achte besonders auf die                       Umgebung, sie verrät sehr viel! In dem beschriebenen Alter und in der im Bild erkennbaren                     Jahreszeit leben Jungluchse in Freiheit nicht mehr zusammen. Das „Filmdokument“ ist                             Gaukelei, um es sehr milde auszudrücken.

 

 

Anmerkung: Der europäische Luchs ist nicht vom Aussterben bedroht, er wird leider immer mehr wie auch die Wildkatze zum Kulturfolger. Er ist und bleibt aber eine geschützte Art, und das ist auch gut so.

 

Volker Zimmermann 

Reinhard Scharnhölz

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