SELTSAME ANMASSUNG

 Es ist mehr als verwunderlich, wenn die Redaktion einer Jagdzeitung (DJZ, 12/2021) glaubt, berufen zu sein, die erste bundesweite FUCHSJAGDWOCHE ausrufen zu müssen. In der 51. KW soll dem Rotfuchs rund um die Uhr (= 168 Stunden) verschärft nachgestellt werden, wobei sich jegliche Kategorie von Jagdrevieren beteiligen darf. Das zeigt, dass die DJZ eine großzügige Zeitung ist, denn es werden großartige Ehrenpreise (Gold-, Silber- und Bronzemedaille des Conseil International de la Chasse und der Titel Hegemeister vergeben; zudem soll noch der größte Fuchsschädel des Jagdjahres 2021/22 nach den Kriterien des CIC prämiert werden. Schade nur, dass es sich beim Rotfuchs, Vulpes vulpes L. 1758, um ein horn- bzw. geweihloses Säugetier handelt. 

Eindeutiges Ziel der ersten bundesweiten FUCHSJAGDWOCHE ist, möglichst viele Rotfüchse vom Leben zum Tode zu befördern; weidgerecht mit allen zugelassenen Mitteln und Methoden. In Corona-Zeiten ist der Begriff Inzidenz geläufig, wobei der Inzidenzwert Rotfuchs sich auf getötete Füchse je 100 ha = 1 km² Jagdrevierfläche bezieht. IRf 1,9 bedeutet 1,9 getötete Rotfüchse/km². Ein IRf von >23,7 fiele in die Kategorie Jägerlatein à la Münchhausen. Obwohl heute nicht mehr gänzlich auszuschließen, können getötete Goldschakale, rote Langhaarteckel, Waschbären und Marderhunde nicht als Rotfüchse im eigentlichen Sinne gelten, können den IRf also nicht beeinflussen.

Das Ausrufen der ersten bundeweiten FUCHSJAGDWOCHE bedeutet die bundesweite Aufforderung zu einer Straftat, denn § 1, 2. Satz TierSchG lautet: Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen.

Beim Töten eines Fuchses kann der Dreiklang „Schmerzen, Leiden oder Schäden“ komplett eintreten. Selbst bei sofort eintretendem Tod: Der Schaden (= Verlust des Lebens) kann nicht wegdiskutiert und geleugnet werden!  

Da der Balg eines Rotfuchses heute (2021) wirtschaftlich wertlos ist, des Weiteren das Fleisch vom Rotfuchs nicht zum menschlichen Verzehr zugelassen, zudem wenig geeignet ist, müsste jeder Fuchskadaver ordnungsgemäß in einer Tierkörper-Verwertungs-Anstalt entsorgt werden, müsste…, indes, dorthin gelangen die wenigsten der jährlich getöteten Füchse (bundesweit, allein im Jagdjahr 2019/20: 485.084 Exemplare. Im Jagdjahr 2001/02 immerhin 642,892 Füchse nach ‚statista.com‘ (abgerufen 12-XII-2021).
Mit bleihaltiger Munition (Schrot und Kugel) getötete Füchse, deren Kadaver Greifvögeln und Rabenvögeln frei zugänglich sind: tödliche Nahrung für die genannten Vögel und andere Nachnutzer!

Die Hauptnahrung des Fuchses sind verschiedene Mäusearten (Echtmäuse u. sog. Wühlmäuse), aber bei passender Gelegenheit werden Junghasen, festsitzende Hennen sowie Küken von Fasan und Rebhuhn sowie bodenbrütende Singvögel und ihre Brut nicht verschmäht. Nur, was machen viele Jagdscheininhaber daraus: Der Fuchs ist am Niedergang der Hasen- und Hühnerbesätze schuld, eine Behauptung, die fast purer Unsinn ist. Die moderne Landwirtschaft mit Großschlägen, mangelhafter Fruchtfolge und Groß- bis Gigatechnik sowie massivem Pestizideinsatz, forcierter Ernte mit fast schlagartiger Räumung der Riesenflächen, ist eine Hauptursache des Niedergangs von Hasen, Rebhuhn und vieler anderer, nicht jagdbarer Arten. Hinzu kommt fast ungebremster Hoch- und Tiefbau mit massiver Versiegelung von Flächen. Und die Jägerschaft trägt ein gehöriges Maß an Mitschuld: Wirklich konkret und wortgewaltig hat sie sich kaum zum Niedergang von Landschaft und umweltverträglicher Landwirtschaft geäußert. Trotz guten Willens, aber mit teilweise erschütternder Ignoranz haben Jäger Remisen, Gebüsch- und Blühstreifen angelegt, die in der ausgeräumten Landschaft eine gewaltige Anziehungskraft sowohl auf Beute – Hase, Huhn, Fasan und andere – als auch auf Beutegreifer haben. Ein blanker Sturzacker ist weder für Beutegreifer noch für potentielle Beute attraktiv. Dann lauthals zu klagen, der böse Fuchs hat unser Niederwild vernichtet, ist einfach nicht wahr. Denn heute ist es der Fuchs und Morgen sind es die Greifvögel.

„Jeder Jeck ist anders“, sagt man im Rheinland. Und so erfreuen sich viele Jäger an möglichst großen Niederwildstrecken, wobei man sich wundern kann, dass eine große Zahl der Jagdlizenzinhaber Heilberufen angehören: Apotheker, Humanmediziner und Tierärzte, sowie – wen wundert’s? – Juristen. Wenn sie hervorragende Schützen sind, kann man für ihr makabres Hobby gerade noch massiv gedämpftes Verständnis aufbringen. Wenn aber, um möglichst hohe Strecken zu erzielen, wild miteinander verkreuzte Ökotypen des Jagdfasanen (Phasianus c. colchicus L., 1758), genauer des Transkaukasischen Fasanen, künstlich aufgezogen und halbwegs ausgewildert, der Flinte zum Opfer fallen, kann man getrost von Perversion sprechen, nicht der Kreuzungsfasanen, sondern der Jäger. Als halbwegs umweltverträglicher Ersatz böte sich Schießen auf mit Naturfarben eingefärbten Tontauben – schön bunt und tierschutzgerecht.
Wenn sich ein Fuchs der naiven Auswilderungsfasanen annähme, wäre das Geschrei seitens der Jäger riesengroß, aber unbegründet: Nirgends steht geschrieben, dass hohe Strecken garantiert und erzielt werden müssen.

Andererseits: Der leider erst recht spät ins Grundgesetz aufgenommen GG Artikel 20a lautet:

Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung. Mit Tiere sind frei lebende Tiere gemeint, nicht jedoch künstlich aufgezogene Hybrid-Fasanen.

GG Art 20a gilt für sämtliche Bürger der Bundesrepublik Deutschland, also auch für Jagdlizenzinhaber, und zu dem in Art 20a aufgeführten Begriff Tiere gehören auch Füchse und andere Beutegreifer!

Im Großherzogtum Luxemburg wurde 2017 die Jagd auf den Rotfuchs mit einem Bann belegt, der alljährlich erneuert wird. Die Einstellung der Bejagung wirkte sich anscheinend positiv aus. Es kam Ruhe in die Population; das auch beim Fuchs durchaus vorhandene Sozialgefüge konnte sich stabilisieren, da die negative Selektion durch die Bejagung entfiel. Raumstrukturen festigen sich, da die durch ungerichteten Abschuss beförderte Reproduktionsrate sich allmählich dem Normalzustand nähert. Der irrationale Abschuss von Elterntieren führte immer wieder zu fuchsarmen Nischen, die aber schnell von reichlich produzierten, allerdings unerfahrenen Jungfüchsen besetzt wurden, die unter dem „Zwang der Hochreproduktion“ standen. Ohne den unsinnigen Abschuss haben Rüde und Fähe die Chance, ein Territorium zu besetzen und ohne allzu großen Ressourcen-Verbrauch ein Revier zu etablieren. Die im Herbst abwandernden Jungfüchse haben Probleme freie Reviere zu finden und in schlechten Mäusejahren kann der erste Winter auch der letzte eines Jungfuchses sein; Natur ist eben nicht der oft zitierte „Ponyhof“.
Durch permanente, letztlich irrationale Bejagung wird im Organismus ein Trend zu hoher Produktionsrate eingeleitet, um die Art zu erhalten. Den Luxus eines Nachgeleges – bei vielen Vogelarten durchaus vorhanden – besitzt die Fähe nicht; bei ihr müssen entsprechende Konstellationen bereits während der Ranz wirksam sein. Der Vorteil halbwegs stabiler Territorien: Superovulationen sind unnötig, 3 bis 4 lebend geborene Welpen reichen zum Erhalt der Art Rotfuchs.

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Unverständlicherweise verfügt der Fuchs nicht über eine geregelte Jagd- bzw. Schonzeit, sondern nur über den sehr fraglichen Status „Elterntier-Schutz“. Wenn mit mehr oder weniger perfiden Mitteln, die Welpen eines Fuchsbaus getötet werden, sind Fähe und Rüde schlagartig keine Elterntiere mehr, können also unbeschwert „entnommen“ werden.

 

Für viele Jäger  ist der Fuchs ein Schieß- und Lustobjekt, das, weil es jagdliche Interessen negiert, möglichst schnell und sicher, mit Schrot, Kugel und diversen Fallenformaten vom Leben zum Tode befördert werden soll. Ob dies immer weidgerecht geschieht, sei dahingestellt. Dieser mehr als unbestimmte Begriff „Weidgerechtigkeit“ gehört endlich juristisch einwandfrei definiert oder abgeschafft. Deutsche Weidgerechtigkeit und jagdliches Brauchtum sind im Grunde Gedöns von vorgestern, aus Zeiten als Reichsjägermeister Göring & Co sowie ein Ofm. Frevert menschliches Leben weit geringer schätzten als die Existenz eines Junglöwen oder eines Hann. Schweißhundes.

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Abschließend: Mit der Ausrufung der ersten bundesweiten FUCHSJAGDWOCHE hat die Redaktion der Deutsche Jagd Zeitung/DJZ einen sauberen Offenbarungseid hingelegt. Motto: Ein jedermann blamiere sich, so gut er kann! Das nördlich gelegene Westerwald-Städtchen Montabaur, verballhornt aus Mons Tabor, dem angeblichen Ort der Verklärung Christi, dürfte wohl kaum zur „Verklärung“ der Redaktion der DJZ in 56379 Singhofen beigetragen haben.

 

Der Paul-Parey-Verlag Berlin, dann Hamburg, nach der Wende schließlich Berlin & Hamburg, war, abgesehen von der gar nicht so verkehrten „Wild und Hund“, ein seriöser Verlag mit den Schwerpunkten Landwirtschaft, Zoologie & Botanik sowie Veterinärmedizin und Tierzucht. Mit dem endlichen Abwandern des Verlagsnamens in den rheinischen Teil des Landes Rheinland-Pfalz war das Schicksal eines ehemals großen Namens beendet.
Lebte Erich Kästner noch, er hätte dagegen protestiert, dass eine Straße in 56379 Singhofen seinen Namen trüge und an dieser Straße eine Zeitschrift namens DJZ ihre Redaktion hätte. Absolut kein Verständnis hätte Erich Kästner dafür gehabt, dass die Redaktion dieser Jagdzeitung meint, zu einer bundesweiten FUCHSJAGDWOCHE aufrufen zu müssen. Bleibt die Frage: Was legitimiert die Redaktion der DJZ zur Ausrufung einer solch fragwürdigen Aktion? Ist vielleicht inkorporierte HYBRIS der Motor?  

Dies meinen Emil und Kiang

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Kommentare: 2
  • #1

    M. Reifinger (Dienstag, 14 Dezember 2021 09:59)

    Bei uns in Österreich gibt´s noch keine bundesweite Fuchsjagdwoche (das kann ja noch werden), dafür Jahr für Jahr regional die "Nacht des Fuchses". Im Anschluß läßt sich die Jagdgesellschaft stolz vor der sorgsam aufgelegten Strecke von zerschossenen Füchsen und Mardern fotografieren.
    Es ist tragisch, dass unsere Gesellschaft Menschen die Lizenz zum Töten gibt, denen es an ökologischem Verständnis und Respekt vor dem Leben fehlt.
    Töten als Freizeitgestaltung gehört zum Niedrigsten, wozu der Primat Mensch fähig ist.

  • #2

    W. (Dienstag, 14 Dezember 2021 10:09)

    erinnert an die großangelegte Spatzenvernichtung unter Mao in China - mit üblen Folgen, da der Überbau in der Nahrungs-Kaskade weggebrochen ist.