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Holziger Weg

Nordschweden, ich bin zu einem besonderen Treffen unterwegs.

Lange habe ich an dem Zustandekommen dieser Begegnung gearbeitet, immer wieder den Kontakt gesucht. Es war nicht einfach meine Fragen an die richtige Person zu binden.

Die Auswahl meiner möglichen Gesprächspartner war sehr eingegrenzt.

Mut und vor allen Dingen Sach- und Insiderwissen waren grundsätzliche Voraussetzungen, die ich von einem möglichen Gesprächspartner erwarten musste. Für dieses immer stärker sichtbare Thema, die Kahlschlagpolitik der schwedischen Holzindustrie.

Ich schlängel mich auf holprigen Straßen durch endlos erscheinende nordische Landschaften.

 

Beidseitig der Straße reißen großflächige Kahlschläge in eintönigen Braun- und Grautönen das Grün auf. Verlassene kleinere Anwesen wirken ruinenhaft und aufgegeben, umgeben von rücksichtslos abgeernteten Wäldern.

Ich erreiche nach vielen Kilometern meinen Zielort

Meine Ruhe wechselt in erwartungsvolle Spannung.

 

Wir begrüßen uns herzlich. Er ist Pensionär und arbeitete sein Leben lang in leitender Position in der schwedischen, holzverarbeitenden Industrie. Viele Jahre beim größten schwedischen Holzkonzern. Es hatte so lange gedauert, bis er überzeugt war auf meine Fragen vorbehaltlos und ehrlich zu antworten. Wir hatten eine Vereinbarung getroffen, seine Anonymität musste ich garantieren, und ich bekam auf alle meine bohrenden Fragen eine aufrichtige Antwort.

Ist das ein Dieselfahrzeug?

 

„Ja, natürlich! Laufruhig, Verbraucht nur 5 Liter auf 100km.“

Schweigen, ich denke über seine Frage nach.

Wir nähern uns auf der rechten Seite einem ca. 100 jährigen Waldbestand, biegen auf gleicher Höhe in einen Waldweg ab, der sich nach 40-50 Metern in einem riesigen Kahlschlag verläuft.

Endlos schlängelt sich der Sandweg durch eine von breiten, tiefen Furchen zerlegte Landschaft. Wir halten an.

 

„Das sieht ja aus wie nach einem Krieg!“

 

Dies ist ein typisches Beispiel unserer Forstpolitik, eine Art Erntekrieg..... das ganze Land ist voll davon.

Wenn wir den Weg weiter durchfahren, wird es noch viel schlimmer. Da steht gar nichts mehr! 

 

Ich betrachte aufmerksam sein angespanntes aber auch sehr nachdenkliches Gesicht. Er sucht die braune endlos wirkende Weite mit ruhigem Blick ab.

„Wann ist das denn abgeholzt worden?“

 

In drei Schichten wurde hier im vergangenen Winter der Waldbestand vernichtet...wofür!...für

Zelluloseprodukte nach China...verschwenderisch für Bretter und Bohlen. Der Bestand war über 150 Jahre alt, gesunde Föhren, alte Fichten und mächtige Espen.

„Nach welchen Kriterien wurde denn hier entschieden? War er denn krank der Wald oder warum so großflächig?“

 

 

Es ist unsere Art, besonders die der Holzkonzerne, den so langsam wachsenden nordischen Wald zu nutzen. Es geht nur um Bilanz- und Rendite. Ein fein ausgearbeitetes rücksichtsloses System, welches besonders auf die Bequemlichkeit der Bevölkerung und der Waldbesitzer zugeschnitten ist. Wir nennen es Kahlschlagpolitik.

 

„Das versteh ich nicht!“ Unser Blicke treffen sich. Er hat kluge, nachdenkliche Augen!

 

Ganz einfach...wenn Du Waldbesitzer bist... und dies sind viele im Lande... und du Geld für eine Aktivität benötigst... so gehst du an den Wald...du möchtest ein Auto kaufen...einen Audi oder einen Merscha....oder in den Urlaub fliegen.....

 

„Was ist ein Merscha?“

 

Ein Mercedes!

 

Er lacht!

 

Die Holzkonzerne kommen schon rechtzeitig auf dich zu...bieten ein „fertiges Paket“ ... ein Konzerneigenes Vertragswerk an... du brauchst dich um nichts mehr kümmern... du bekommst auch einen Vorschuss...das zieht immer!

 

„Vorschuss? Wie hoch ist dieser?“

 

10 bis 15 % vom Konzern veranschlagten Gesamterlös aus der noch genau zu vermessenden Holzmenge. Das sind aber Ankaufpreise, die der Konzern festlegt... da kommst du nicht daran vorbei... das Kartell der Holzindustrie...

 

„Was beinhaltet das Vertragswerk der Holzindustrie? Ein Vertragspaket, was ist das?“

 

Du musst nur ihren Vertrag unterschreiben... ein sehr gut ausgearbeitetes Konzept, immer auf die Bedürfnisse des Konzerns zugeschnitten...alles ist enthalten....die Anmeldung für die Abholzung bei der für dich zuständigen Landesforstverwaltung ... die Maschinen, die häufig genug vom Konzern mit ihrem eigenen Personal gestellt werden …. der Abtransport, die Aufarbeitung des Bodens und die Neuanpflanzung mit Konzerneigenen Jungpflanzen... alles organisiert der Konzern.

 

„Wie wird denn abgerechnet? Wird das nicht vorher bestimmt?

 

Und wer misst die Holzmenge, welche aus deinem Wald kommt?“

Die Holzindustrie misst es nach eigenen Kriterien.

 

„Welche Kriterien sind das?“

 

Ja, ich weiß... es ist mir bekannt...in anderen Ländern kennt man unsere Vorgehensweise der Berechnung der Holzmenge nicht. Hier wird nur das dünnere Ende für die Berechnung des gesamten Stamms genommen.

 

„Das brauche ich näher erklärt...das dünnere Ende?“ Ich merke er ist in seinem Element.

 

Um das Volumen eines Stamms genau zu berechnen, müsste er in der Mitte gemessen werden, das bedeutet: ein 5 m langer Stamm wird in der Mitte auf genau 2.5 m gemessen.

Anfang und Ende des Stamms variieren häufig stark... 28cm am Stock und nur noch 14 cm am Zopf

...bezahlt wird von unserer Holzindustrie nur für 14 cm abzüglich der Rinde.

 

„Und was passiert mit dem Rest?“

 

Das ist das Geheimnis der Holzindustrie!

 

 

„Was macht die Industrie mit diesen holzigen massiven Abschnitten?“

Die darfst du dann in Form von Schnittholz, Pellets oder Zelluloseprodukten wieder kaufen...

 

„Auch vom gleichen Konzern?“

 

Natürlich!

 

„Welche Konzerne sind das denn?“

 

Er nennt drei Buchstaben

 

„Ist das der kleinste oder größte Konzern?“

 

Der größte... hat das meiste Land, bestimmt in Schweden alles was den Wald betrifft und noch viel mehr. Er versucht sich immer wieder ein grünes Image zu geben....jetzt mit Windkraft, es ist schlimm

 

„Aber warum wird das denn so von den Waldbesitzern hingenommen?“

 

Es ist bequem und die Waldbesitzer brauchen sich um nichts mehr kümmern.

Die Industrie ist reich und hat Einfluss bis in die höchsten politischen Ebenen.

 

„Und die staatlichen Forstverwaltungen... die müssten dies doch erkennen auch im Sinn des Natur- und Artenschutzes.“

Ich wende meinen Blick etwas ab und suche mit einem Fernglas die weite kahle und trostlose Ebene nach einem tierlichen Lebewesen ab.

 

Hier findest du über viele Jahre keine Tiere mehr... da kannst du lange suchen...diese toten Flächen werden aber für die Berechnung der Zuteilung des jährlichen Elchabschusses nicht herausgerechnet...die Konzerne sind da rücksichtslos und versuchen immer wieder Schäden an ihren Aufforstungen als Argument zu streuen...es ist für den Elchstamm langfristig eine tödliche Situation...

 

Ich biete ihm mein Fernglas an, er lehnt ab. Ich merke er wird nachdenklich und ist angespannt.

 

Der Auerhahn hat hier gebalzt ... auch ein Steinadlerpaar brütete noch vor zwei Jahren auf einer alten Kiefer...

 

 

 

"Und wo sind sie jetzt?"

 

Niemand weiß es, sie wurden nicht mehr gesehen.

 

Er zeigt mit dem Finger auf eine entfernte braune Ebene und schüttelt den Kopf.

„Steht der Baum noch?“

 

Nein, auch diesen Baum haben sie mitgenommen...siehst du hier noch einen alten Baum?

 

 

Er schaut flüchtig zu mir. Ich wende den Blick etwas ab und werde nachdenklich. 

Schweigen!

 "Und die Elche? Kommen die denn noch?“

 

Ein ernsterer Blick trifft mich, dann wendet er sich wieder ab.

 

Ach die Elche.. die stehen wie gesagt alle im Visier der Holzindustrie,.. was sollen die denn hier auf den Kahlflächen...hier gibt es nichts für sie...

Schau dir doch an was die Maschinen hinterlassen... Jungbäume werden rücksichtslos niedergewalzt... dienen den schweren Erntemaschinen als Unterlage...

 

Ich sehe die tiefen Furchen, die die Ketten der Maschinen im Waldboden hinterlassen haben, alle Jungbäume der Naturverjüngung liegen wie geköpft flach und im Erdreich begraben...

 

 

 

 

Mein Gesprächspartner wendet den Blick zur Seite und deutet mit der Hand auf eine Art Hochsitz, der ziemlich neu ist.

 

Hier, dieser Elchturm ist doch geschickt positioniert...

 

„Warum?"

 

Er steht genau dort wo die Elche durch müssen...sie haben keine andere Wahl!

 

„Den Zusammenhang muss ich besser erklärt bekommen.“

 

Wenn sich Elche hier kurz aufhalten um dann durchlaufen zu können, müssen sie durch die Senke unten und haben somit keine Chance zu entkommen... wer nicht schießt fliegt aus der Elchjagdgruppe...

 

Er deutet mit der linken Hand auf eine Senke, die nicht weit von unserem Standort liegt.

 

Die Holzkonzerne üben Druck aus und locken auch mit völlig überzogenen Abschussangeboten interessierte Jäger...Schießer!

 

„Bist Du Jäger?“

 

Ja... früher habe ich Jagd noch verantworten können... heute sehe ich das etwas kritischer.

 

Ich versuche seinen Blick einzufangen, es fällt mir schwer. Seine rechte Hand berührt sein Gesicht.

 

Die Konzerne haben es geschafft unseren Wald auszubeuten... ihnen gehören zu große Waldflächen.

 

„Und die Verantwortlichen in den Ministerien, setzt man von dort nicht Grenzen.“

 

Nein, kein Interesse... unqualifizierte Entscheidungsträger... die teilweise über mangelhafte Kenntnisse der ökologischen und waldbaulichen Zusammenhänge verfügen... man legt sich nicht mit der Holzindustrie an...vermeidet jede Auseinandersetzung mit den Konzernen...winkt alles durch.

 

„Wie ist das denn mit dem Umweltbewusstsein der Konzerne? Prüft man nicht die ökologische Verträglichkeit wie auch das Vorkommen der besonders geschützten Arten in den für die Abholzungen vorgesehenen Gebieten?“

 

Nein... daran hat man überhaupt kein Interesse.

Nur für die Elche, die angeblich ihren Wald so sehr schädigen.

Die Aufforstungen hier im Norden sind reine Monokulturen von schnell wachsenden Kiefern und nur wenigen Fichten... dazwischen darf nichts wachsen.. was dennoch hoch kommt fällt der Freischneidesäge zum Opfer.

Aber in der Regel sind es Kieferarten... auch aus den USA...kennst du diese Baumarten?

 

„Ja, habe davon gelesen.“

 

 

Windempfindliche Hölzer... wachsen rasend schnell und breiten sich überall aus...

Wir sitzen immer noch im PKW, keiner von uns beiden gibt zu erkennen das Fahrzeug verlassen

zu wollen.

 

Ich ergreife die Initiative.

„Darf ich dich zum Essen einladen, für mich wäre es jetzt an der Zeit!“

 

Er nickt und ich vernehme ein leises Ja!

Schweigen...ich starte den Motor...

 

 

Fortsetzung folgt!

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